Die Große Reihe // Rückschau Saison Spielzeiten-Archiv
Mit Degen oder Pistolen vermochte Beethoven dem mächtigsten Mann seiner Zeit nicht entgegenzutreten. Zu weit war Napoléon Bonaparte von ihm entfernt – nicht nur räumlich, sondern auch durch seinen Stand.Aber Beethoven besaß die Waffen seines Geistes und die Feder, mit der er seine Werke schrieb. Diese in der Hand zog er gleichsam gegen den Kaiser der Franzosen zu Felde, indem er den Namen Bonapartes, den seine dritte Sinfonie tragen sollte, geradezu gewaltsam ausradierte.
Zerrissen hat er das Titelblatt der „Eroica“, wie oft behauptet wurde, zwar nicht, die Heftigkeit, mit der er das Papier zerkratzte, legt aber den Gedanken nahe, dass im Inneren des Komponisten sich durchaus etwas einem Duell vergleichbares abgespielt hat.
Die Begrifflichkeit des „Duells“ hat sich mit den Jahrhunderten stark verändert. Man rufe sich nur einmal in Erinnerung, was für ein existenzieller Akt ein „echtes“ Duell in alten Zeiten war. Es ging dabei buchstäblich um Leben und Tod, ausgelöst durch eine Frage der Ehre – auch dies ein Begriff, der nachweislich an Bindekraft verloren hat. Inzwischen ist vieles zum Duell avanciert, vom Fernsehduell der Kanzlerkandidaten über Kochduelle am Studioherd bis zur Stilisierung zweier konkurrierender TV-Serien über die Familie Borgia als „Papst-Duell“ – als echte „Ehrensachen“ mag man sich das alles nicht vorstellen.
Nun werden zwar auch in den „Duellen mit Noten“, die die Große Reihe der Stuttgarter Philharmoniker zu Ausgangspunkten der Konzertprogramme genommen hat, keine echten Waffen gezückt. Reibungen und Konflikten auf jeweils zwei Persönlichkeiten deutet darauf, dass sich geschichtliche Entwicklungen ihre menschlichen Exponenten suchen und diese, mehr oder weniger freiwillig, zu Antipoden oder Gegnern befördern. Nicht selten kreuzt sich Politisches und Menschliches bei diesen „Duellen“, oft mangelt es am eindeutigen Ergebnis. Aber dass sich das Duell von Duett nur durch zwei kleine Striche im Schriftbild unterscheidet, hat womöglich auch etwas zu bedeuten: In der Musik kann ganz Verschiedenes im Einklang sein; sind Harmonie und Dissonanz, Streit und Versöhnung manchmal nur einen (Takt)strich voneinander entfernt.