Abonnement Sextett // Rückschau Saison Spielzeiten-Archiv
Gefährliche Liebschaften
„Gefährliche Liebschaften”: Das Motto unseres Abonnements Sextett haben wir dem Titel eines berühmten französischen Briefromans von Pierre-Ambroise François Choderlos de Laclos (1741–1803) entlehnt: „Les Liaisons dangereuses”, ein Buch, das oft als erotischer Text gelesen wurde. Sein Autor hatte die Absicht, die schlechte Moral des französischen Adels seiner Zeit zu kritisieren. Interessant an den „Gefährlichen Liebschaften” sind insbesondere Laclos' Gedanken zur Psychologie, die Hermann Hesse urteilen ließ: „Unter den erotischen und gesellschaftskritischen Romanen des französischen 18. Jahrhunderts vielleicht der klügste, kühlste, unsentimentalste.” Der Roman de Laclos' gibt allerdings nicht den Inhalt, sondern lediglich die Richtung unserer Konzertreihe vor.
Anarchische Triebe
Es ist seltsam genug: Wenn Liebe, die an sich doch friedvollste Sache der Welt, zur Gefahr wird, dann wohl hauptsächlich deshalb, weil das mit der Liebe zusammenhängende Reimwort Triebe eine Tendenz zum Anarchischen hat. Den Trieben geht es ganz offensichtlich nicht um Rücksicht auf die Vernunft. Wer sein ganzes Leben von ihnen regieren lässt, für den gelten gar keine Regeln mehr. Das jedenfalls scheinen uns die musikalischen Geschichten um Carmen, Don Juan, Lulu, Manfred und wie sie alle heißen zu lehren.
Hab- und Rachsucht
Doch nicht nur, wer sein ganzes Leben der Liebe weiht, lebt gefährlich. Gelegentlich ist sogar schon die einmalige Erfüllung des Dranges mit Todesgefahr verbunden, wenn sie etwa die Ansteckung mit einer gefährlichen Krankheit zur Folge hat oder wenn, wie in Béla Bartóks Ballettmusik vom „wunderbaren Mandarin”, die Mörder bereits im Hintergrunde lauern.
Häufiger jedoch finden wir, zumindest in der musikalischen Welt, die Rache der Enttäuschten, der Verlassenen, der Eifersüchtigen und solcher Gestalten, deren übermächtige Sehnsucht keine Aussicht auf Erfüllung hat. Diese Rache kann nicht nur die Objekte der Begierde selbst, mögen sie Carmen oder Lulu heißen, vernichten, sondern auch das Leben gänzlich Unschuldiger auslöschen, wie im Falle der Kinder der Medea oder der namenlosen jungfräulichen Opfer des Sultans Scharyar aus den Geschichten aus 1001 Nacht.
Gebrochene Charaktere, mutige Frauen
Schließlich beschäftigten hier, musikalisch und psychologisch hochinteressant, die gebrochenen Charaktere, die in ihrer völligen Hingabe an den Trieb alt, lebensmüde und, paradoxerweise, einsam geworden sind, die Fantasie der Komponisten: Lenaus Don Juan und Lord Byrons Manfred sind typische Vertreter dieser Gattung.
Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um, sagt das Sprichwort, und unsere bisherige Beispielsammlung scheint ihm recht zu geben. Doch gibt es glücklicherweise selbst bei den gefährlichsten Situationen jede Menge Ausnahmen. Unser Abonnement Sextett stellt zwei Frauen vor, die allen Gefahren zum eigenen Vorteil siegreich trotzen. Die in der Musik bekanntere ist Scheherazade, die durch ihre schlaue Erzähltaktik sich und 1000 andere Jungfrauen vor der Rache eines Enttäuschten rettet. Musikalisch noch beinahe gänzlich unbekannt ist Belkis, die Königin von Saba, die sich gegen die ausdrücklichen Warnungen ihrer Berater entschließt, dem sagenhaften König Salomon einen Besuch abzustatten. Das sei weder gefährlich, noch eine Liebesreise gewesen? Dann hören sie einmal die Vertonung Ottorino Respighis an!
Romantischer Zauber
Wer indessen gerne das Glück genießt, momentan nicht gänzlich von den Wirkungen seiner Hormone benebelt zu sein, und aus dieser Lage heraus die Dinge betrachtet, ist möglicherweise über unsere Ansammlung so vieler seltsamer Gestalten und skurriler Geschichten versucht, den allenthalben spürbaren blinden Drang zum anderen Geschlecht herzlich belachen zu wollen. Gewiss, auch dazu ist Musik komponiert worden und natürlich Teil unseres Programms, geistreich komische noch dazu: Mendelssohns Ouvertüre zu Shakespeares „Sommernachtstraum” erzählt uns vom Zauber romantischer Verliebtheit und macht sich gleichzeitig lustig über die Eseleien, zu denen wir durch sie gelegentlich verführt werden.